Vierseitenhof in Lochwitz, Weidengrund 8 in Lochwitz, Konzerte im Juni: Anna Mateur & Feinde, 4. Juni, 17 Uhr, Pulsar Trio, 25. Juni, 17 Uhr, www.lochwitz.de
Theater, Zirkus und Freiluft-Konzerte. Kinder-und Jugendangebote, Vermietungen, Workshops und reichlich Idylle. Das alles und noch viel mehr bietet ein Vierseitenhof im Weidengrund in Lochwitz, der vom Hallenser Matthias Augustin und seiner Familie betrieben wird. Der 62-jährige Augustin hat in Lochwitz, also in einem kleinen, im Mansfelder Land gelegenen Dörfchen, sein Glück gefunden. Und das teilt er mit vielen anderen Menschen. Grund genug, bei Augustin nachzufragen
Hallo, Matthias Augustin, in Halle kennt man Sie noch als Mitarbeiter des Objekt 5. Im Jahre 2000 sind Sie aufs Land gezogen. Warum?
Mancher zieht in die Großstadt, weil er viel Remmidemmi braucht. Wir brauchten einen Ort der Ruhe. Meine Frau und ich haben im Mansfelder Land ein bezauberndes Grundstück gefunden. Dann sind wir in eine halbfertige Ruine gezogen, der Hof war komplett zugewachsen. Ich vergleiche es immer mit einem Dornröschenschloss.
Gab es damals keine Zweifel?
Es war klar, dass wir diesen Schritt aufs Land machen wollen. Wir haben es bis heute nie bereut. Nur die älteren Kinder waren damals nicht amüsiert. Heute wohnen sie freiwillig und selbstständig selbst hier in der Nähe.
Ihr Einkommen speist sich heute aus der Vermietung und aus einem breitgefächerten Kulturangebot rund um Ihren Hof in Lochwitz. Gab es damals schon entsprechende Absichten?
Nein, ich bin lange noch nach Halle gependelt, weil ich noch im Objekt 5 gearbeitet habe, weil die Kinder noch in ihre sozialen Einrichtungen gingen. Mir war schnell klar, dass mir diese Pendelei zu viel Energie raubt. Der Ausbau des Hofes zu einer Begegnungs- und Veranstaltungsstätte war aber nicht geplant, das hat sich alles ergeben. Anfangs gab es Kinderfeste, kleinere Konzerte, Grillfeste, dann kamen die Zirkusleute. Wir haben schöne Dinge gemacht, die uns selbst gut taten. Als der Zuspruch kam, entwickelten sich die Dinge - bis ich gemerkt habe, dass ich hier etwas aufbauen kann. Seit 2003 bin ich selbstständig, seitdem lebe ich in einer Art Dauerurlaub. Wir brauchen wenig Geld, das meiste geht für Baumaterial drauf, wir machen alles selbst.
Der Zuspruch kam auch von den Einheimischen?
Ja, auch. Kommt man neu in ein Dorf, kann es mitunter nicht einfach sein. Aber wir hatten Leute kennengelernt, die uns ein bisschen geführt und durch Unebenheiten geleitet haben. In Lochwitz gibt es auch viele junge Leute und Familien, die hier hergezogen sind.
Der Ausbau des Hofes zur Kulturstätte. Was waren dabei die Herausforderungen, die Probleme?
Die Anträge und das Wetter!
Und heute kommt ihr Publikum …
… ungefähr zur Hälfte aus dem 100-Kilometer-Umland und zur anderen Hälfte aus der näheren Umgebung.
Die Corona-Zeit war für Sie gewissermaßen ein Glücksgriff.
Es war der entscheidende Impuls, um die Konzerte professioneller aufzuziehen. Ich machte mich an die Arbeit, heute haben wir eine Bühne mit Samtvorhang, heute kann ich bis zu 170 Gäste empfangen. Unsere Freiluft-Konzerte spielen heute in einer ganz anderen Liga, als noch vor wenigen Jahren.
Die Leute kommen nicht nur wegen der Musik?!
Wir hatten mal die Jazzsängerin Randi Tytingvag zu Gast. Mitten im Konzerte sagte sie, dass sie hier gerade etwas erlebt, das wie im Märchen ist. Verwundert fragte sie, was das hier für ein besonderer Hof sei. Die Atmosphäre ist schwer zu beschreiben. Die Leute reden oft von Harmonie. Hier ist es freundlich, aber nicht verschlafen. Offen, aber nicht turbulent. Es geht den Gästen nicht nur um die Musik, es geht um das Erlebnis. Wir fangen um 16 Uhr mit einem Kaffeetrinken an, ab 17 Uhr gibt es Musik und danach wird gemeinsam Wein getrunken.
Was war die bislang schönste Erfahrung?
Jedes Konzert ist für mich ein Highlight, weil ich mir jeden einzelnen Künstler, der bei uns auftritt, in die Küche setzen würde. Aber es gab einmal ein Konzert des Singer/Songwriters Terry Lee Hale, das unsere besondere Atmosphäre auf den Punkt brachte.
Warum?
Der Künstler sollte 17 Uhr spielen, kurz vorher rief er mich an und sagte, dass er noch auf dem Berliner Ring feststeckt. Ich versicherte ihm, dass die Leute in bester Laune warten können. So war es auch. Als er dann gegen 18.30 Uhr kam, trugen die Gäste sein Zeug auf die Bühne, Terry Lee Hale bekam erst einmal einen Whiskey. Alles war so familiär und freundlich, so unkompliziert und entspannt. Wir verzichteten auf den Eintritt, am Ende des schönen Konzertes konnte jeder nach Bedarf etwas in den Hut werfen. Was soll ich sagen? Mit vorherigem Eintritt hätten wir wesentlich weniger Geld eingenommen.
Was gibt es für Pläne und Ziele?
Hier geht es immer irgendwie weiter, ich will und kann da gar nicht so viel planen. Manchmal mieten sich Künstler ein, um an Projekten zu arbeiten. Der Zirkus ist bei uns ein großes Thema. Vom 9. bis 15 Juli bieten wir wieder ein Zirkus-Feriencamp an. Da sind noch drei Plätze frei. Kinder und Jugendliche von acht bis sechzehn Jahren bleiben unter fachkundiger Betreuung eine Woche bei uns, sie erlernen die Zirkus-Basics. Zudem gibt es Vollverpflegung, Übernachtungen und eben Workshops.
Wie nehmen Sie das Mansfelder Land wahr?
Es gibt noch Klaus Adolphi mit seinem Eulenbergschen Hof in Elben. Der ist mein Nachbar, in einer halben Stunde zu Fuß zu erreichen. Dass sich hier in der Ecke zwei so tolle Konzert- und Begegnungsstätten entwickelt haben, ist toll! Das Mansfelder Land ist eine wunderbare Kulturlandschaft auf den verschiedensten Ebenen. Als ich hier ankam, war ich überrascht. Den verschlafenen Dorftrottel gibt es hier nicht, die Menschen, oft auch Zugezogene, sind total kulturinteressiert.
Text: Mathias Schulze