Sterntagebücher, 15. Juni bis 1. Juli, WUK Theater Quartier, alle Termine: www.buehnen-halle.de oder www.wuk-theater.de
Der Regisseur und legendäre Puppenspieler Hans Jochen Menzel, Jahrgang 1956, bringt in einer Kooperation zwischen dem Puppentheater Halle und dem WUK Theater Quartier das Stück „Sterntagebücher“ nach Stanislaw Lem auf die Bühne. Versprochen ist eine „Reise durch die Untiefen des Universums“. In dem Freiluft-Sommertheater rast ein Raumfahrer namens Ijon Tichy in seinem Ein-Mann-Raumschiff durch die gahnende, schwarze Leere des Alls. Grund genug, bei Menzel, der viele Jahre Professor an der Berliner Hochschule fur Schauspielkunst „Ernst Busch“ war, nachzufragen
Willkommen in Halle, Herr Menzel! Verraten Sie es uns gerade heraus: Warum sollte man „Sterntagebücher“ nicht verpassen? Worum geht es?
Das wird eine Mischung aus Science Fiction, Comedy und Romanze. Ein Raumfahrer in einer Ein-Mann-Rakete rast durchs All. Er führt Experimente durch, er erlebt Abenteuer und ist vor allem verliebt – bei uns jedenfalls. Er jagt Killer-Kartoffeln, er will einen neuen Urknall auslösen, um das Weltall zu optimieren. Und er gerät in gefährliche Gravitationsstrudel und vervielfacht sich.
Das ist ja schon einmal eine Menge. Aber da kommt noch mehr, oder?
Als Botschafter der Erde ist der Raumfahrer auch Repräsentant der Erdbewohner. Und er setzt seinen Heimatplaneten unfreiwillig aufs Spiel. Es ist immer was los bei ihm, aber eigentlich sitzt er ziemlich einsam vor seiner Gartenlaube und will den Grill anwerfen.
Habe ich mir gedacht! Das ist ja sehr spannend. Lassen Sie uns aber mal einen Blick in den Rückspiegel wagen: Welche DDR-Erfahrungen prägten Sie am meisten?
Der Zusammenhalt, die Verbundenheit zwischen den Menschen aller Couleur im Mangel und in Verboten. Und dass man so trotz dieser Verbote und Einschränkungen und der damaligen Überregulierung der Gesellschaft gut leben konnte. Der Mangel kitzelte die Phantasie heraus. Und meine „DDR-Erfahrung“, dass man sich auf Menschen in schwierigen Situationen verlassen kann, will ich nicht missen.
Wie haben Sie die Wendezeit und die Nachwendejahre erlebt?
Ich war seit 1984 als freiberuflicher Puppenspieler in der DDR unterwegs. Ich lernte sehr viele Menschen kennen und kannte so die Lebensumstände und Probleme dieses Landes sehr gut. Mir war klar, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Deshalb erlebte ich die Wende als etwas Notwendiges. Das war für mich privat zuerst sehr positiv, weil ich plötzlich in ganz Europa spielen und inszenieren konnte. Ich hatte viele Einladungen zu Festivals und Ähnlichem, also zu Dingen, denen ich vor der Wende nicht nachkommen durfte. Gleichzeitig war es sehr bitter, mitansehen zu müssen, auch in meinem persönlichen Umfeld, wie viele Menschen nach der ersten Freude über die geänderten Verhältnisse in ihrer Existenz schwer erschüttert und verunsichert wurden.
Kommen wir zu Ihrem Metier. Sie und die Puppen: Was ist das für ein Verhältnis? Ist es eine reine Liebesbeziehung?
Irgendwie schon, ich mag diese Überzeichnungen der Charaktere, die Freiheit der verschiedenen Formen, die inhaltlichen Übertreibungen, welche Puppen erst möglich machen. Und ich mag den Grundhumor, welchen die Puppen schon auf Grund ihrer eingeschränkten, oft sehr skurrilen Bewegungsmöglichkeiten und dem „eingefrorenen“ Gesichtsausdruck ausstrahlen.
Eine Frage an den erfahrenen Puppenspieler: Sie dürfen drei wichtige Lehren über das Puppenspiel der jüngeren Generation mitgeben. Welche wären es?
Man muss ein Risiko eingehen, nicht immer auf Sicherheit oder auf sichere Themen bauen. Man muss öfter mal die künstlerische Richtung wechseln, verschiedene Konstellationen und Formen ausprobieren. Man sollte nicht auf zu viel Technik vertrauen, sondern sich in die Phantasie zwingen. Und man sollte sich breit aufstellen und neue Arbeitsbereiche erobern oder schaffen.
Hand aufs Herz: Was unterscheidet ein gutes von einem sehr guten Puppentheaterstück?
Phantasiemangel oder Reichtum an Phantasie – in der Form und im Inhalt. Und es geht um freie Assoziationen.
Freie Assoziationen?
Das Publikum darf in seiner Vorstellungswelt nicht gegängelt werden.
Was für ein Satz! Der gefällt mir sehr gut!
Schön! Um das zu erreichen, muss aber auch die Kraft der Puppen voll ausgeschöpft werden. Das zeichnet gute Stücke mit Puppen aus.
Text: Mathias Schulze