Tom Schiling and The Jazz Kids, 21. Januar, Objekt 5, 20 Uhr
Der Schauspieler Tom Schilling und seine Band The Jazz Kids kommen mit dem Album „Vilnius“ ins Objekt 5
Existenziell, klar, verzweifelt. Und am Ende setzt ein lebendiger Gitarrenaufbruch ein, der Text ist ein Klassiker: „Sind so kleine Hände / winzge Finger dran.“ Tom Schilling, man wird ihn für immer mit dem ziellosen Niko aus dem Film „Oh Boy“ (2012) in Verbindung bringen, kleidet Bettina Wegners „Kinder“ in neue, moderne und beängstigende Farben.
Was sich bei der Liedermacherin wie ein aufrüttelnder Appell anhört, schmeckt bei Schilling gruselig schön nach kalter Resignation. Es ist, als wäre eh schon alles vergebens: „Darf man nie drauf schlagen / Die zerbrechen dann.“ Diese Neuinterpreation findet sich auf dem Album „Vilnius“, das Schilling zusammen mit der Band The Jazz Kids eingespielt hat.
Freilich, das schöne Dunkle, das morbid Treibende, das depressiv Wuchtige, das die Platte prägt, ist nicht neu. Die Traditionslinien? Element of Crime, Tom Waits, Nick Cave, Leonard Cohen. Die Geschichten über den selbstverliebten, moralischen Zerfall, die Mörderballaden, die fatalistisch unsere Hoffnungen kitzeln, werden fortgesetzt.
Ja, und das ist das Erstaunliche an diesem Album, selbst die monotone und schmale Gesangsstimme Schillings bereichert das atmosphäre Klima des Konzeptalbums. Es ist, als kommentiere ein aristokratischer Schnösel die Abgründe der Lust, den tödlichen Dreck der Straße. Es klebt Blut an der Krawatte.
In der „Ballade von René“, die mit der Heftigkeit schnell verschlungener Schnäpse vorgetragen wird, geht es mitten hinein in die Kindererziehung des Lumpenproletariats: „Mit den Kumpels am Kiosk noch ’ne Kippe und Bier / Dann ab in die Kita – die schließt heut um vier.“ Wollte Wegner gegen Gewalt ansingen, zerrt sie Schilling beobachtend in ein scheppernd krachendes, manchmal zärtlich verspieltes Korsett.
Der Song „Ja oder Nein“, der im Duett mit Annett Louisan gesungen ist, erinnert in aller Verletzlichkeit an das legendäre Zusammenspiel von Nick Cave und Kylie Minogue in „Where the wild roses grow“. Die Gier des Menschen, rockige Töne, das Zerfleischende der Liebe, sanft druckvolle Klavierpassagen, die Eitelkeit der Larmoyanten, die Egomanie der Melancholie, das Verlorene unserer Existenz.
All diese betörenden Zutaten enthält „Vilnius“, erschienen bei Embassy of Music. Dennoch: von den kleinen Nuancen, die erlauchter Tradition neue Farben schenkt, hätten es noch mehr sein können. Aber freilich, das ist Jammern auf hohem Niveau.
Text: Mathias Schulze