Torsten, 13., 14., 27. und 28. Dezember, 10. und 11. Januar; 7. und 8. Februar, WUK-Theater-Quartier, jeweils 20 Uhr, www.theater-aggregate.de
Regisseur Silvio Beck über „Torsten“, seine neueste Inszenierung am WUK-Theater
Herr Beck, der geneigte Gast soll sich auf ein postdramatisches Biopic einrichten. Was darf er darunter verstehen?
Es geht um den Lebensbericht des berühmtesten Hochstaplers unserer Region: Torsten Schmitt. Alles gefiltert und verdichtet durch die Sprache Lothar Trolles. Torstens Dasein wird in der Tiefe als Lebenslinie, an der Oberfläche in assoziativen Sprüngen aufgefächert. Dabei wird seine Karriere als Hochstapler zum Stationendrama, zum Roadmovie. Torsten flieht seit Kindertagen auf originelle Weise aus seiner schmerzhaften, mitunter bedrohten Existenz in neue, erfundene, temporäre Figuren. Das geht als Erwachsener weiter, zumal die Nachwendezeit ungeahnte Möglichkeiten bietet. Plötzlich ist er MTV-Promoter in Budapest oder Dr. Becker vom Auswärtigen Amt in diplomatischer Mission.
Worum geht es im Subtext?
Im Hintergrund schwingt die unbeantwortbare Frage: Wer bin ich eigentlich? Torsten erlebt den Wechsel der Identitäten als Befreiungsschlag, als rauschhaften Zwang. Er ist der Täuscher, der durchaus der Wahrheit verpflichtet ist, weil er weiß, dass er andere täuscht. Er ist aber auch derjenige, der an seine eigenen Erfindungen glaubt. Ohne ihn zu romantisieren, kann man sagen, auf seine Weise ist er Philosoph oder Künstler. Er jongliert mit Verabredungen, Symbolen, Glaubenssätzen und dergleichen, also dem Stoff, aus dem unsere Gesellschaft besteht.
Er entdeckt dahinter das Nichts. Geld, Drogen, Exzesse oder der Wunsch einem Elch in Schweden zu begegnen, sollen die Leere füllen. Dabei geht es nicht um Bereicherung, eher spielt er ein abgründiges Spiel mit einer Gesellschaft, die sich bereitwillig täuschen lässt. Er genießt seine situative Macht. Das funktioniert für einen Moment. Dahinter ist eine große Einsamkeit, Kontaktlosigkeit und der Wunsch nach Resonanz spürbar.
Die Trollesche Dramatik ist eine besondere. Welche Kennzeichen finden sich auch in „Torsten“?
Lothar Trolle sagte einmal, er muss das Theater in Frage stellen, gerade weil es ihn interessiert. Das zeigt sich auch hier. Der Text ist ein epischer Bericht mit dramatischen Momenten. Dialog, Handlung und situative Verortung finden kaum statt. Vielmehr wird erzählt wie im Märchen, ein Bewusstseins- Strom entwickelt sich von Moment zu Moment. Diese Erzählerebene ist unser Ausgangspunkt. Wir steigern die Verwirrung, spalten den Erzähler in eine Spielerin und zwei Spieler auf. Unterstützt werden sie dabei von einem akustischen Bühnenbild, der Musik von Bernd Jestram.
Text: Mathias Schulze