Text: Annett Krake
Das letzte Wort in diesem Monat haben wir dem halleschen Umweltaktivisten Wolfgang Schuster erteilt.
Herr Schuster, bitte vollenden Sie diesen Satz: In Halle hat mich in letzter Zeit besonders aufgeregt, dass …
… der Populismus nun auch Menschen ergriffen hat, die für nachhaltige Politik einstanden und denen ich bisher gedanklich nahe stand.
Was muss sich ändern?
Wahrheiten und Probleme offen aussprechen, diese kritisch hinterfragen und dann zukunftsorientierte Entscheidungen treffen. Als Mitglied der Ökologischen Arbeitsgruppe setzte ich mich in den 1980er Jahren mit wenigen jungen Leuten für besseren Umweltschutz ein. Damals wurde ich zum Staatsfeind deklariert. Mit der friedlichen Revolution wurde aus der politischen Untergrundtätigkeit ein Stadtratsmandat und später dann ein mit Westgeld bezahltes Arbeitsverhältnis im Umweltamt der Stadt Halle. Rückblickend auf die letzten 30 Jahre, sehe ich trotz großer Erfolge im Umweltschutz, auch die nicht geklärten Probleme. Zum Beispiel die Saale: Ich hätte 1989 nie gedacht, dass ich jemals in der Saale baden kann. Das ist aber nicht ein Verdienst der Arbeit des Umweltamtes, sondern reine Glückssache! Ein richtiger Regenguss und schon wird aus der Saale ein Kloake. Alles was dann nicht mehr in die Kanalisation passt, strömt direkt in den Fluss. Der Fachmann nennt das Mischwassersystem mit Entlastungsbauwerken. Obwohl allgemein bekannt ist, dass der Abwasserkanal über 100 Jahre alt ist, wird bei den Fluthilfemaßnahmen nur über das diskutiert, was das Volk sieht. Da bei Starkregen die Bürger kaum an der Saale unterwegs sind, gelangen Fäkalien, Toilettenpapier, etc. unbemerkt in die Saale. Am Riveufer könnte unter der gesamten Straße ein Stauraum geschaffen werden. Geplant ist derzeit nur eine Reparatur der Abdeckplatten des uralten Kanals unter dem Gehweg. Fatal wäre, wenn nach Abschluss Fluthilfemaßnahmen der alte Kanal saniert werden muss und die dann neue Straße sowie der neue Gehweg mit den Linden wieder eine Baustelle sind.
Welcher Ort ist Ihnen der Liebste?
Auf der von mir gespendeten Steinbank, oberhalb des Amselgrundes, sitze ich gern mit meiner Familie und Freunden, habe die Halle-Hymne im Kopf „Da steht eine Burg überm Tale ...“ und schaue wie einst Eichendorff zur fröhlichen Saale und dem Giebichenstein.
An welchen Ort der Stadt würden Sie Besuch von außerhalb nie führen?
Meine Gäste sind nicht nur am Hochglanz-Halle interessiert. In der DDR habe ich meinem Besuch bewusst die Umweltschäden gezeigt, damit sie sehen, wo bei uns die Probleme liegen. Aufgrund des derzeitigen Zustandes der geschichtsträchtigen Gasse „Am Kühlen Brunnen“, direkt am Markt gelegen (siehe Foto), würde ich diese meiden.
Welche Pläne und Visionen haben Sie für die Zukunft?
Visionen, das sind große Worte, die überlasse ich lieber den Oberbürgermeisterkandidaten. Ich versuche mich weiter da einzubringen, wo es gebraucht wird, insbesondere bei bodenständigen ehrenamtlichen Initiativen. Als Großvater wünsche ich mir, dass die virtuelle Welt mit Smartphone und sonstigen elektronischen Sozialkillern nicht das wahre Leben in der realen Welt dominiert und verblendet. Ich hoffe, dass ein blühender Lindenbaum mit einem Vogelnest mehr Interesse erzeugt, als eine neue App.