Das letzte Wort in diesem Monat hat die 1958 in Halle geborene Landespolizei- Pfarrerin und Leiterin der hiesigen Notfall-Seelsorge, Thea Ilse. Als solche ist sie oft mit zuerst am Ort des Geschehens, leistet in Ausnahmesituationen Beistand und sorgt für weiterführende Hilfe und Unterstützung. Dies sei, sagt sie, einer der schönsten Berufe, die es gibt!
Frau Ilse bitte vollenden Sie diesen Satz: „An Halle hat mich in letzter Zeit besonders aufgeregt, …
… dass ich Auswärtigen die aktuelle Verkehrsführung in Halle nicht immer erklären kann, weil ich sie selbst nicht kenne, aber das ist nicht tragisch. Das heißt ja, es wird gebaut und die Ergebnisse lassen sich sehen, ob ich ans Steintor, den Curie-Platz oder auch den Hauptbahnhof denke, wo ich fast täglich bin.
Dennoch, was muss sich ändern?
Ich gehöre zur Fahrrad-Fraktion, aber mit gemäßigtem Tempo, da wünsch ich mir eine sicherere Infrastruktur im Interesse der Radfahrer, so dass auch meine Enkelkinder sicher durch die Stadt kommen können.
Welcher Ort in der Stadt ist ihnen der liebste?
Meine ruhige Dachterrasse inmitten der Stadt und das Café Noir in der Kleinen Uli, den ruhigen Blick über die Dächer und städtisches Treiben gleich nebeneinander, das mag ich.
An welchen Ort in der Stadt würden Sie Besuch von außerhalb indes nie führen?
Da fällt mir auch beim längeren Nachdenken kein Ort ein, ich mag unsere Stadt so wie sie ist – in ihrer bunten Verschiedenheit. Ich fahre gern immer wieder mal durch die Stadtteile oder Vororte und freue mich, wie sie sich verändert haben.
Welche Pläne und Visionen haben Sie für die Zukunft?
Im Moment bin ich recht viel außerhalb von Halle dienstlich unterwegs und kann die kulturelle Vielfalt in Halle kaum nutzen. Das hoffe ich in den nächsten Jahren ändern zu können, wenn ich im (Un)Ruhe-Stand bin. Mir ist meine Stadt in den letzten Jahren etwas abhandengekommen, das wünsch ich mir anders, weil ich hier zuhause bin. Der 9. Oktober 2019 hat unsere Stadt verändert, er fällt mit der Erinnerung vom 9. Oktober 1989 zusammen, das dämpft die Freude von vor 30 Jahren und erinnert uns, wach zu bleiben. Ich wünsch mir diese Wachheit in unserer Stadt, klar für Positionen zu stehen, die dem geistigen Gedankengut des Attentäters entgegenstehen und dass jeder in seinem Umfeld das tut, was er kann und es nicht auf die Politik abschiebt. Diese gesellschaftliche Herzensbildung tut unserer Stadt gut!
Was macht die Arbeit als Notfallseelsorgerin aus?
Menschen authentisch zu begleiten, wenn ihnen der Boden unter den Füßen zu entgleiten scheint, Trauer gebären helfen. Den Schmerz, die Wut, die Ohnmacht, die Sprachlosigkeit, die Tränen aushalten – trösten heißt: ich steh dir bei, du bist nicht allein. Da gibt es noch keine Hoffnung auf morgen. Der Betroffene ist seinen Gefühlen nicht allein ausgesetzt, es gibt ein Gegenüber, das hält, das trägt. Nur der Betroffene kann wissen, was ihm in diesem Moment guttut und das gilt es herauszufinden. Das ist auch nach 20 Jahren noch ein Geschenk zu erleben, wie das Menschen gelingt.
Text: Annett Krake